Das Vertragsrecht ist eine der zentralen Säulen bei Mergers & Acquisitions (M&A) und bildet die rechtliche Grundlage für den Kauf, die Fusion oder die Restrukturierung von Unternehmen. M&A-Transaktionen erfordern detaillierte und rechtssichere Verträge, die nicht nur den Kaufpreis und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen regeln, sondern auch Haftung, Garantien, Gewährleistungen, Wettbewerbsverbote und viele weitere kritische Aspekte umfassen.
1. Rechtliche Grundlagen des Vertragsrechts bei M&A
M&A-Verträge unterliegen einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen aus dem Zivilrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht und Kartellrecht. Wichtige Gesetze sind:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Allgemeine Vorschriften zu Verträgen (§§ 145–157 BGB).
- Haftung bei Vertragsverletzungen (§§ 280 ff. BGB).
- Grundregeln zur Mängelhaftung (§§ 434 ff. BGB).
- Anfechtung wegen Täuschung oder Irrtum (§§ 119, 123 BGB).
- Handelsgesetzbuch (HGB)
- Regelungen für Kaufleute und Gesellschaften (§§ 1–105 HGB).
- Pflichten bei Unternehmensübertragungen.
- GmbH-Gesetz (GmbHG)
- Anforderungen an die Übertragung von Geschäftsanteilen (§ 15 GmbHG).
- Notarielle Beurkundungspflichten (§ 53 GmbHG).
- Aktiengesetz (AktG)
- Vorschriften zur Übertragung von Aktien (§§ 186 ff. AktG).
- Regeln für Hauptversammlungsbeschlüsse bei M&A (§§ 119, 179a AktG).
- Umwandlungsgesetz (UmwG)
- Vorschriften zu Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln.
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Regelungen zur Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt.
- Steuergesetze (EStG, KStG, UmwStG)
- Steuerliche Folgen von M&A-Verträgen.
Diese Gesetze setzen den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen M&A-Verträge ausgestaltet werden.
2. Vertragsarten bei M&A-Transaktionen
M&A-Transaktionen können durch verschiedene Vertragsstrukturen umgesetzt werden:
2.1. Share Purchase Agreement (SPA) – Kauf von Anteilen
- Der Käufer erwirbt Gesellschaftsanteile an einer GmbH oder Aktien einer AG.
- Das Unternehmen bleibt bestehen, nur die Eigentümerstruktur ändert sich.
- Regelungen zu Haftung, Gewährleistungen und Kaufpreis sind essenziell.
- Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten:
- GmbH-Anteile erfordern eine notarielle Beurkundung (§ 15 GmbHG).
- Bei Aktiengesellschaften kann ein öffentliches Übernahmeangebot erforderlich sein (§ 29 WpÜG).
2.2. Asset Purchase Agreement (APA) – Kauf von Vermögenswerten
- Der Käufer übernimmt einzelne Vermögensgegenstände (z. B. Maschinen, Immobilien, Kundenverträge).
- Erfordert Zustimmung der Vertragspartner (z. B. Vermieter, Kreditgeber).
- Haftung nach § 75 AO für Steuerschulden des Zielunternehmens muss geprüft werden.
2.3. Merger Agreement – Verschmelzungsvertrag
- Zwei Unternehmen fusionieren, wobei eines als Rechtsträger bestehen bleibt.
- Arbeitsrechtliche Auswirkungen nach § 613a BGB müssen berücksichtigt werden.
- Genehmigung durch Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung erforderlich.
2.4. Joint Venture Agreement – Gemeinschaftsunternehmen
- Zwei oder mehr Unternehmen gründen eine gemeinsame Gesellschaft.
- Regelungen zur Stimmrechtsverteilung, Gewinnverwendung und Exit-Strategien sind entscheidend.
3. Zentrale Vertragsklauseln in M&A-Verträgen
Ein M&A-Vertrag umfasst zahlreiche rechtlich und wirtschaftlich kritische Klauseln, die für den Erfolg der Transaktion entscheidend sind.
3.1. Kaufpreisregelung
- Fester Kaufpreis: Einmalige Zahlung eines vereinbarten Betrags.
- Earn-Out-Klauseln: Variabler Kaufpreis abhängig von der zukünftigen Unternehmensentwicklung.
- Kaufpreisanpassungen (Closing Accounts, Locked-Box, Net Working Capital Adjustments).
3.2. Gewährleistungen und Garantien („Warranties & Representations“)
- Verkäufer garantiert korrekte Bilanzierung, keine laufenden Gerichtsverfahren, ordnungsgemäße Steuerzahlung.
- Falsche Garantien können Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB auslösen.
- Übliche Garantien betreffen:
- Finanzielle Situation des Unternehmens.
- Rechtmäßiges Eigentum an Vermögenswerten.
- Laufende Rechtsstreitigkeiten und Vertragsverhältnisse.
3.3. Haftungsklauseln
- Haftungsfreistellungen für bestimmte Altlasten (z. B. Steuer- oder Umweltverbindlichkeiten).
- Haftungsbegrenzung (z. B. maximal 20 % des Kaufpreises).
- Verjährungsfristen für Ansprüche (oft 12–24 Monate).
3.4. Wettbewerbsverbote
- Verkäufer verpflichtet sich, für eine bestimmte Zeit nicht in Konkurrenz zu treten.
- Zulässigkeit nach § 138 BGB und § 1 GWB prüfen.
3.5. Closing Conditions (Vollzugsbedingungen)
- Der Kaufvertrag tritt erst in Kraft, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, z. B.:
- Zustimmung von Kartellbehörden.
- Zustimmung von Banken oder Gesellschaftern.
3.6. Rücktritts- und Schadensersatzklauseln
- Käufer kann zurücktreten, wenn der Verkäufer falsche Angaben gemacht hat.
- Schadensersatz bei Vertragsbruch nach §§ 280 ff. BGB.
4. Gerichtliche Entscheidungen zu M&A-Verträgen
Gerichte haben zahlreiche Urteile zu M&A-Verträgen gefällt, die wichtige Leitlinien für die Vertragsgestaltung setzen.
4.1. BGH, Urteil vom 26. September 2018 – II ZR 187/17
- Verkäufer haftete für falsche Zusicherungen über Umsätze.
- Wichtige Lehre: Detaillierte Garantieerklärungen sind entscheidend.
4.2. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2020 – I-6 U 146/18
- Käufer konnte wegen versteckter Schulden Schadensersatz fordern.
- Due Diligence entbindet nicht von Haftung für arglistig verschwiegene Risiken.
4.3. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2016 – II ZR 239/15
- Wettbewerbsverbot für 5 Jahre als unwirksam erklärt.
- Maximal zulässige Dauer: 2 Jahre.
5. Best Practices für M&A-Verträge
✅ Frühzeitige Vertragsgestaltung: Verträge sollten frühzeitig mit Rechtsberatern abgestimmt werden.
✅ Detaillierte Garantien: Um spätere Haftungsfragen zu vermeiden.
✅ Haftungsbegrenzungen klar definieren: Käufer und Verkäufer sollten sich über Haftungsrisiken bewusst sein.
✅ Kaufpreisanpassungen vertraglich regeln: Insbesondere bei Earn-Outs und Closing Accounts.
✅ Rücktrittsrechte festlegen: Schutzmechanismen bei falschen Angaben vorsehen.
M&A-Verträge sind hochkomplex und müssen maßgeschneidert sein. Fehler können Millionenschäden verursachen und zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen. Ein erfahrener M&A-Anwalt ist daher unerlässlich.