I. Einführung: Typische Konflikte und Herausforderungen
Gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen treten im Rahmen von Mergers & Acquisitions (M&A), Private Equity (PE) und Unternehmensbeteiligungen besonders häufig auf, da unterschiedliche Interessen der Beteiligten aufeinandertreffen. Dies gilt insbesondere für den Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen (KMU), wo persönliche Bindungen, familieninterne Strukturen und Nachfolgethemen oft eine entscheidende Rolle spielen.
Häufige Streitpunkte sind:
- Kaufpreisanpassungen und Earn-Out-Klauseln
- Haftungsfragen und Garantien nach der Transaktion
- Unternehmensbewertung und Bewertungsmethoden
- Mitspracherechte und Governance-Konflikte
- Auseinandersetzungen zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern
- Exit-Streitigkeiten und Blockaden beim Verkauf
Nachfolgend werden die rechtlichen Möglichkeiten, Alternativen und Folgen solcher Konflikte dargestellt, ergänzt um relevante Urteile.
II. Gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen bei M&A-Transaktionen
1. Kaufpreisstreitigkeiten und Earn-Out-Klauseln
Bei der Unternehmensübernahme wird der Kaufpreis häufig durch Earn-Out-Modelle oder Adjustments angepasst. Streitigkeiten entstehen, wenn Käufer und Verkäufer unterschiedliche Auffassungen über die Erfüllung von finanziellen Zielvorgaben haben.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Genaue Definition von Berechnungsmethoden und Bewertungsgrundlagen im Kaufvertrag
- Einsetzung eines neutralen Schiedsgutachters zur Streitbeilegung
- Schiedsklauseln oder spezifizierte Gerichtsstandvereinbarungen
🔹 Relevantes Urteil:
- OLG München, 07.07.2020 – 7 U 4544/19: Käufer durfte Earn-Out-Zahlung verweigern, da die Zielvorgaben nicht eindeutig vertraglich definiert waren.
2. Haftungsfragen und Garantien nach der Transaktion
Nach dem Closing kommt es oft zu Haftungsansprüchen des Käufers wegen angeblicher Verstöße gegen Garantien und Freistellungen. Häufige Streitfälle betreffen versteckte Mängel, falsche Angaben zu Bilanzen oder offene Steuerverpflichtungen.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Sorgfältige Definition der Garantie- und Freistellungsansprüche im Kaufvertrag
- Escrow-Konten oder Rückstellungen zur Absicherung von Haftungsrisiken
- Verjährungsklauseln zur Begrenzung der Haftung
🔹 Relevantes Urteil:
- BGH, 26.09.2018 – VII ZR 187/17: Verkäufer haftet nicht für wirtschaftliche Entwicklungen nach Vertragsabschluss, wenn keine ausdrückliche Garantie über zukünftige Gewinne gegeben wurde.
3. Unternehmensbewertung und Bewertungsmethoden
KMU-Bewertungen sind besonders konfliktanfällig, da es keine festen Marktpreise gibt und verschiedene Bewertungsmethoden (DCF-Methode, Multiples) zu stark abweichenden Ergebnissen führen können.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Einbindung unabhängiger Sachverständiger oder Mediatoren
- Festlegung eines verbindlichen Bewertungsverfahrens im Vertrag
- Schiedsklauseln zur verbindlichen Klärung von Bewertungsfragen
🔹 Relevantes Urteil:
- BGH, 10.07.2018 – II ZR 120/16: Unternehmensbewertung ist an marktübliche Methoden anzupassen, wenn keine ausdrückliche Bewertungsformel im Vertrag festgelegt wurde.
III. Konflikte bei Private Equity-Investitionen
1. Mitspracherechte und Governance-Streitigkeiten
PE-Investoren sichern sich oft Veto- oder Kontrollrechte, was zu Konflikten mit der Unternehmensführung führt. In KMU sind familiengeführte Strukturen besonders sensibel für solche Eingriffe.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Detaillierte Gesellschaftervereinbarungen mit Regelungen zu Stimmrechten und Vetos
- Schlichtungsmechanismen oder unabhängige Beiräte
- Treuhandlösungen für kritische Entscheidungen
🔹 Relevantes Urteil:
- BGH, 20.07.2021 – II ZR 152/20: PE-Investoren mit weitreichenden Kontrollrechten können als faktische Geschäftsführer haften.
2. Exit-Streitigkeiten und Blockaden
Beim Verkauf eines Unternehmens durch PE-Investoren treten oft Konflikte auf, wenn Minderheitsgesellschafter den Exit blockieren oder unterschiedliche Vorstellungen über den Verkaufszeitpunkt bestehen.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Drag-Along- und Tag-Along-Klauseln zur Regelung von Mitverkaufsrechten und -pflichten
- Optionen auf Rückkauf oder Zwangsverkauf im Gesellschaftsvertrag
- Schiedsverfahren zur Beilegung von Exit-Streitigkeiten
🔹 Relevantes Urteil:
- OLG Frankfurt, 15.11.2019 – 5 U 152/18: Drag-Along-Klausel kann unwirksam sein, wenn sie Minderheitsgesellschafter unverhältnismäßig benachteiligt.
IV. Gesellschaftsrechtliche Konflikte bei Unternehmensbeteiligungen in KMU
1. Auseinandersetzungen zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern
In KMU entstehen oft Konflikte, wenn Mehrheitsgesellschafter Entscheidungen ohne Rücksicht auf Minderheitsgesellschafter treffen oder Gewinne nicht ausgeschüttet werden.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Vertragsklauseln über Dividendenpolitik und Ausschüttungsmechanismen
- Mediation oder Gesellschafter-Schlichtungsverfahren
- Klage auf Verletzung von Treuepflichten durch Mehrheitsgesellschafter
🔹 Relevantes Urteil:
- BGH, 08.02.2019 – II ZR 364/17: Treuepflichtverletzung, wenn Mehrheitsgesellschafter Gewinne nicht ausschütten, obwohl dies wirtschaftlich angemessen wäre.
2. Nachfolgestreitigkeiten und Gesellschafteraustritte
KMU haben oft unklare Regelungen zur Unternehmensnachfolge, was zu Streitigkeiten zwischen Erben oder zwischen Gesellschaftern führt.
🔹 Rechtliche Möglichkeiten und Alternativen:
- Testamentarische Regelung oder Gesellschaftsverträge mit klaren Nachfolgeklauseln
- Kaufoptionen für Gesellschafteranteile im Todesfall eines Gesellschafters
- Stufenweise Unternehmensnachfolge mit Übergangsphase
🔹 Relevantes Urteil:
- OLG Düsseldorf, 11.12.2020 – I-3 Wx 123/20: Ein Erbe kann nicht automatisch Gesellschafter werden, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Zustimmungsklausel vorsieht.
V. Handlungsempfehlungen
Gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen sind bei M&A, Private Equity und Unternehmensbeteiligungen unvermeidbar, insbesondere im Mittelstand und bei KMU. Eine präzise Vertragsgestaltung, Schiedsmechanismen und klare Governance-Regeln sind entscheidend, um Streitigkeiten zu vermeiden oder effektiv zu lösen.
🔹 Unsere Handlungsempfehlung:
✔ Detaillierte Kaufverträge mit klaren Bewertungs- und Earn-Out-Klauseln
✔ Governance-Regeln für PE-Investitionen und Gesellschaftervereinbarungen in KMU
✔ Streitvermeidungsmechanismen wie Mediation oder Schiedsverfahren
Durch vorausschauende rechtliche Gestaltung lassen sich viele Konflikte frühzeitig entschärfen und die wirtschaftliche Stabilität der Beteiligten sichern. 🚀