M&A Prozesse im Mittelstand in Deutschland mit IP-Beteiligung

Aktuelle M&A-Prozesse im deutschen Mittelstand (seit 2023)

Rechtliche Struktur, Prüfungsschwerpunkte und Schutzrechte im Fokus


1. Einleitung

Die Übernahme mittelständischer Unternehmen in Deutschland durch inländische Käufer hat in den letzten Jahren ein differenziertes Bild gezeigt. Während internationale Investoren zulegen, bleiben deutsche Erwerber im strategischen Mittelstandsgeschäft weiterhin sehr aktiv. Diese Transaktionen sind oft durch Nachfolgeregelungen, Digitalisierungsvorhaben, Technologiekäufe oder gezielte Portfoliostärkung motiviert.

Unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße folgen M&A-Prozesse typischerweise einem strukturierten Ablauf:

  1. Vorbereitungsphase mit Unternehmensbewertung
  2. Verhandlung und Unterzeichnung eines Letter of Intent
  3. Due Diligence (insbesondere rechtlich, steuerlich, finanziell, technisch)
  4. Vertragsverhandlungen und Signing
  5. Erfüllung von Bedingungen (aufschiebende Bedingungen wie Genehmigungen)
  6. Closing (Vollzug)
  7. Integration

Ein kritischer Bestandteil der Due Diligence – insbesondere bei technologiegetriebenen oder markenstarken Unternehmen – ist die Bewertung und Prüfung von Schutzrechten wie Marken, Patenten, Designs oder Betriebsgeheimnissen.


2. Beispiel 1: Röhm GmbH übernimmt „Functional Forms“ von SABIC (2023/24)

Branche: Chemie/Kunststoffverarbeitung
Transaktion: Asset Deal mit Übernahme eines Geschäftsbereichs
Schutzrechte: Marken, Patente, Verfahrenstechnik

Die Röhm GmbH, bekannt für PLEXIGLAS, erwirbt den Geschäftsbereich „Functional Forms“ vom saudischen Konzern SABIC. Dieser stellt Polycarbonat-Platten unter der Marke LEXAN her. Die Transaktion erforderte eine Carve-out-Due-Diligence: Welche Vermögensgegenstände, Mitarbeiter, IP und Verträge sind Teil des Deals?

Rolle der Schutzrechte:

  • Die Marke LEXAN war entscheidender Werttreiber.
  • Technische Patente und Herstellverfahren wurden ebenfalls geprüft.
  • Vertragsklauseln regelten explizit die Übertragung der weltweiten Marken- und Patentrechte.

Rechtlich relevant:

  • Kartellrechtliche Freigabe war Closing-Bedingung.
  • Besonderheit: Verknüpfung zweier starker Markenportfolios (PLEXIGLAS + LEXAN).

3. Beispiel 2: Schaeffler AG übernimmt Vitesco Technologies (laufend seit 2023)

Branche: Automotive/E-Mobilität
Transaktion: Öffentliche Übernahme mit anschließender Verschmelzung
Schutzrechte: Großes Patentportfolio, Marken, Know-how

Die familiengeführte Schaeffler AG übernimmt den MDAX-notierten Automobilzulieferer Vitesco Technologies. Kernziel ist der Ausbau der Kompetenz in der Elektromobilität. Der Deal umfasst eine öffentliche Offerte und eine geplante Verschmelzung.

Rolle der Schutzrechte:

  • Vitesco hält mehrere tausend Patente im Bereich E-Antrieb und Steuerungselektronik.
  • Diese Patente stellen einen Hauptwerttreiber dar.
  • Verschmelzung bedeutet automatische Übertragung der IP, jedoch mit detaillierten Garantien über Rechtsbestand und Exklusivität.

Rechtlich relevant:

  • Fusionskontrolle auf europäischer Ebene.
  • Business Combination Agreement mit vertraglich vereinbarten Integrations- und Schutzrechtszusagen.
  • Verbleib wichtiger Entwickler durch Bindungsklauseln und Personalintegration.

4. Beispiel 3: SAP übernimmt LeanIX GmbH (abgeschlossen 2023)

Branche: IT/SaaS
Transaktion: Share Deal (100 % Übernahme)
Schutzrechte: Software-IP, Marken, Urheberrechte

Die SAP SE übernahm den Bonner SaaS-Anbieter LeanIX, ein Spezialist für Enterprise Architecture Management. Ziel war die Stärkung des eigenen Prozessmanagement-Portfolios.

Rolle der Schutzrechte:

  • Unternehmenswert basierte primär auf urheberrechtlich geschützter Software.
  • Prüfung auf Open-Source-Risiken und vollständige Eigentümerschaft am Quellcode.
  • Marke „LeanIX“ wurde mitübertragen und weiter genutzt.

Rechtlich relevant:

  • Bundeskartellamt prüfte wettbewerbliche Auswirkungen.
  • IP-relevante Garantien in Bezug auf Code, Lizenzierungen, Datenbankrechte und Marken.
  • Datenschutz und IT-Sicherheit wurden intensiv geprüft.

5. Beispiel 4: Mutares übernimmt SELZER-Gruppe (2023)

Branche: Industrie/Automotive-Komponenten
Transaktion: Share Deal
Schutzrechte: Marken, ggf. technische Verfahren

Die Beteiligungsgesellschaft Mutares SE erwarb den Automobilzulieferer SELZER mit mehreren Standorten. Ziel war die Integration in die FerrAl-Gruppe zur Ausweitung des Portfolios.

Rolle der Schutzrechte:

  • Eigene Patente waren kaum öffentlich dokumentiert, dennoch prüfungsrelevant.
  • Markenrechte (Name „SELZER“) wurden übernommen.
  • Fokus lag auf Know-how, Fertigungsverfahren und Kundenbindung.

Rechtlich relevant:

  • Prüfung von Lieferverträgen mit OEMs auf Change-of-Control-Klauseln.
  • Wettbewerbsverbot für Verkäufer zur Absicherung des Markennamens.
  • Standard-Garantien zu IP und Betriebsgeheimnissen.

6. Beispiel 5: Medios AG übernimmt Blisterzentrum BW (2023)

Branche: Gesundheit/Pharma
Transaktion: Share Deal
Schutzrechte: Name, Software, Rezeptur-Know-how

Medios AG, ein Berliner Spezialpharma-Anbieter, kaufte das Blisterzentrum Baden-Württemberg zur Erweiterung seiner Produktionskapazitäten für patientenindividuelle Medikamente.

Rolle der Schutzrechte:

  • Fokus lag auf betrieblichem Know-how (Blisterverfahren, Rezepturstandards).
  • Software für Medikationsmanagement war zentraler immaterieller Vermögenswert.
  • Markenrechtlich geschützter Name oder Logo wurden übernommen.

Rechtlich relevant:

  • Herstellungserlaubnis und behördliche Zustimmung als Closing-Voraussetzung.
  • Prüfung von Datenschutz (Patientendaten) und urheberrechtlich relevanter Dokumentation (SOPs).
  • Sicherung der Rechte an der Blistersoftware und internen Datenbanken.

7. M&A-Prozesse

M&A-Transaktionen im deutschen Mittelstand verlaufen standardisiert, aber inhaltlich vielfältig. Schutzrechte spielen dabei eine unterschiedliche, aber stets relevante Rolle:

  • Wertbildend: bei IP-intensiven Targets (Software, Chemie, Automobiltechnologie).
  • Absichernd: bei traditionelleren Branchen (Maschinenbau, Pharmahersteller), wo Marken oder Know-how den Wert sichern.

In allen Fällen sind folgende Aspekte zentral:

  • IP Due Diligence: rechtliche Klarheit über Eigentum, Gültigkeit und Verletzungsrisiken.
  • Vertragliche Regelung: Garantien, Freistellungen, Übergabeverpflichtungen.
  • Integration: Nutzung und ggf. Reorganisation der Schutzrechte nach Closing.

Der strukturierte Umgang mit geistigem Eigentum im M&A-Prozess sichert nicht nur den wirtschaftlichen Wert der Transaktion, sondern verhindert rechtliche Risiken und sichert dem Erwerber die volle Nutzbarkeit der übernommenen Assets.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen