Kartellrecht

Mergers & Acquisitions (M&A) unterliegen in vielen Fällen einer kartellrechtlichen Prüfung, da Unternehmenszusammenschlüsse den Wettbewerb beeinflussen und zu Marktverzerrungen führen können. Nationale und internationale Kartellbehörden überwachen M&A-Transaktionen und können Fusionen untersagen, Auflagen erteilen oder nachträglich rückgängig machen, wenn der Wettbewerb erheblich beeinträchtigt wird.


1. Rechtliche Grundlagen des Kartellrechts bei M&A

M&A-Transaktionen unterliegen verschiedenen nationalen und internationalen Kartellgesetzen. Wichtige Regelwerke sind:

1.1. Deutsches Kartellrecht

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
    • Enthält die Fusionskontrolle (§§ 35–43 GWB).
    • Zuständig: Bundeskartellamt (BKartA).
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) & Handelsgesetzbuch (HGB)
    • Regeln zur zivilrechtlichen Durchsetzung kartellrechtlicher Vorgaben.

1.2. Europäisches Kartellrecht

  • Artikel 101 AEUV (Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen).
  • Artikel 102 AEUV (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung).
  • EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO, VO 139/2004)
    • Regelt die Zusammenschlusskontrolle in der EU.
    • Zuständig: Europäische Kommission (GD Wettbewerb).

1.3. Internationale Kartellrechtsregeln

  • US-Kartellrecht (Sherman Act, Clayton Act, Federal Trade Commission Act).
  • UK Competition and Markets Authority (CMA) für britische Unternehmen.
  • China Anti-Monopoly Law (AML) für M&A mit chinesischer Beteiligung.

Je nach Marktgröße und Umsatz kann eine M&A-Transaktion in mehreren Ländern parallel geprüft werden.


2. Anmeldepflichten und Schwellenwerte für die Fusionskontrolle

Nicht jede M&A-Transaktion unterliegt einer kartellrechtlichen Prüfung. Eine Anmeldung ist erforderlich, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden.

2.1. Deutsche Fusionskontrolle (§ 35 GWB)

Eine Anmeldung beim Bundeskartellamt ist erforderlich, wenn:

  1. Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen weltweit > 500 Mio. €, und
  2. Mindestens ein Unternehmen in Deutschland > 50 Mio. € Umsatz, und
  3. Ein weiteres Unternehmen in Deutschland > 17,5 Mio. € Umsatz.

Ausnahme: Bagatellmarktklausel (§ 36 Abs. 1 GWB)

  • Keine Prüfung, wenn der relevante Markt weniger als 20 Mio. € Jahresumsatz hat.

2.2. Europäische Fusionskontrolle (EU-FKVO)

Eine Anmeldung bei der Europäischen Kommission ist erforderlich, wenn:

  1. Der weltweite Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen > 5 Mrd. €, oder
  2. Der europäische Gesamtumsatz von zwei Unternehmen jeweils > 250 Mio. €, es sei denn, beide erzielen weniger als zwei Drittel ihres Umsatzes in einem Mitgliedstaat.

2.3. Internationale Anmeldepflichten

  • USA: Umsatzschwelle nach Hart-Scott-Rodino Act (HSR)
  • China: Prüfung durch State Administration for Market Regulation (SAMR)
  • UK: Prüfung durch Competition and Markets Authority (CMA)

Ein grenzüberschreitender M&A-Deal kann mehrere Prüfverfahren parallel erfordern.


3. Ablauf des kartellrechtlichen Prüfverfahrens

Die kartellrechtliche Prüfung erfolgt in mehreren Phasen:

3.1. Phase I – Vorprüfung

  • Prüfung, ob der Zusammenschluss anmeldepflichtig ist.
  • Einreichung einer Fusionsanmeldung beim Bundeskartellamt oder der EU-Kommission.
  • Dauer: 1 Monat (Deutschland) bzw. 25 Arbeitstage (EU).

Mögliche Ergebnisse: ✅ Freigabe → Keine Bedenken, Transaktion kann vollzogen werden.
Verweisung in Phase II → Vertiefte Prüfung erforderlich.

3.2. Phase II – Hauptprüfung

  • Detaillierte Analyse der Marktstruktur, Wettbewerbseffekte und Nachfragestruktur.
  • Anhörung von Wettbewerbern, Kunden und Verbänden.
  • Dauer: bis zu 4 Monate (Deutschland) bzw. 90 Arbeitstage (EU-Kommission).

Mögliche Ergebnisse: ✅ Freigabe → Die Transaktion darf umgesetzt werden.
🔹 Freigabe mit Auflagen → Z. B. Verkauf von Unternehmensteilen.
Untersagung → Fusion darf nicht stattfinden.

3.3. Auflagen & Verpflichtungszusagen

Falls eine Fusion den Wettbewerb beeinträchtigen könnte, können Auflagen verhängt werden, z. B.:

  • Verkauf bestimmter Unternehmensteile.
  • Preisbegrenzungen oder Lieferverpflichtungen für Kunden.
  • Unterlassung bestimmter wettbewerbswidriger Praktiken.

4. Prüfkriterien der Kartellbehörden

Die Behörden bewerten, ob eine Fusion zu Marktverzerrungen führen könnte. Hauptkriterien:

4.1. Marktanteile & Marktmacht

  • Erhöht die Fusion den Marktanteil eines Unternehmens erheblich?
  • Überschreitet die Marktstellung 40–50 %, besteht eine hohe Untersagungswahrscheinlichkeit.

4.2. Unilateral Effects (Einseitige Wettbewerbsbeschränkung)

  • Wird das fusionierte Unternehmen so dominant, dass es Preise diktieren kann?

4.3. Koordinierte Effekte (Oligopolrisiken)

  • Besteht die Gefahr von Absprachen zwischen Wettbewerbern?

4.4. Zugang zu Märkten & Wettbewerbern

  • Werden Marktzutrittsbarrieren für neue Wettbewerber erhöht?

4.5. Auswirkungen auf Verbraucherpreise

  • Wird die Fusion Preissteigerungen oder schlechtere Qualität zur Folge haben?

5. Sanktionen bei Verstößen gegen das Kartellrecht

Falls eine Fusion ohne Genehmigung durchgeführt wird oder gegen Auflagen verstößt, drohen harte Sanktionen:

  1. Rückgängigmachung der Fusion (§ 41 GWB, Art. 8 FKVO)
    • Behörden können den Zusammenschluss für nichtig erklären.
  2. Bußgelder & Strafen
    • Deutschland: Bußgelder bis zu 10 % des Jahresumsatzes.
    • EU: Geldbußen bis zu 10 % des weltweiten Umsatzes.
    • USA: Strafen nach Sherman Act, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen.
  3. Schadensersatzklagen
    • Konkurrenten können Schadenersatz für wettbewerbsschädigende Fusionen fordern.

6. Wichtige Gerichtsurteile zu M&A im Kartellrecht

6.1. BGH, Urteil vom 6. Februar 2020 – KVR 69/17 („Edeka/Tengelmann“)

  • Fusion wurde zunächst untersagt, dann unter Auflagen freigegeben.
  • Lehre: Wettbewerbsgefährdende Fusionen erfordern klare Zusagen zur Marktöffnung.

6.2. Europäisches Gericht, Urteil vom 28. Mai 2020 – T-399/16 („CK Hutchison/O2“)

  • Die EU-Kommission untersagte die Fusion der Mobilfunkanbieter in Großbritannien.
  • Lehre: Reduktion von 4 auf 3 Marktteilnehmer kann problematisch sein.

7. Kartellrecht und Best Practices für M&A-Deals

Frühzeitige Prüfung der Kartellrechtslage – Verzögerungen vermeiden.
Strategische Gestaltung des Deals – Vermeidung von Marktbeherrschung.
Berücksichtigung internationaler Vorschriften – Mehrere Länder prüfen parallel.
Frühzeitige Abstimmung mit Kartellbehörden – Informelle Gespräche vor der Anmeldung.

Das Kartellrecht ist ein kritischer Faktor für den Erfolg von M&A-Transaktionen. Eine professionelle kartellrechtliche Beratung ist unerlässlich, um Risiken zu minimieren und Verzögerungen zu vermeiden.

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