Insolvenzrecht

Mergers & Acquisitions (M&A) im Insolvenzkontext sind hochkomplex und erfordern eine detaillierte rechtliche und wirtschaftliche Analyse. Transaktionen, die mit insolventen Unternehmen oder deren Vermögenswerten durchgeführt werden, unterliegen besonderen insolvenzrechtlichen Regelungen, die sich von regulären M&A-Prozessen unterscheiden.

Die folgende Aspekte stellen wir summarisch dar:

  1. Grundlagen der M&A-Transaktionen in der Insolvenz
  2. Arten von M&A-Transaktionen im Insolvenzverfahren
  3. Besonderheiten beim Erwerb eines insolventen Unternehmens
  4. Insolvenzrechtliche Restriktionen für Käufer und Verkäufer
  5. Bedeutung der Insolvenzordnung (InsO) für M&A
  6. Verfahrensrechtliche Aspekte (Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren, Regelinsolvenz)
  7. Risiken und Herausforderungen bei der Übernahme von insolventen Unternehmen
  8. Steuerliche und haftungsrechtliche Konsequenzen
  9. Fazit: Chancen und Risiken bei M&A-Transaktionen in der Insolvenz

1. Grundlagen der M&A-Transaktionen in der Insolvenz

M&A-Transaktionen im Insolvenzkontext verfolgen das Ziel, wirtschaftlich sinnvolle Einheiten zu erhalten und Vermögenswerte bestmöglich zu verwerten. Dabei kann eine Übertragung auf einen neuen Eigentümer unter verschiedenen rechtlichen Konstruktionen erfolgen.

Die häufigsten Szenarien sind:

  • Sanierung durch Übertragung (übertragende Sanierung)
  • Fortführung des Unternehmens innerhalb eines Insolvenzplans
  • Verkauf einzelner Vermögenswerte an Investoren
  • Zerschlagung und Liquidation des Unternehmens

Entscheidend ist, dass alle M&A-Transaktionen insolvenzrechtlichen Vorschriften unterliegen, insbesondere denen der Insolvenzordnung (InsO).


2. Arten von M&A-Transaktionen im Insolvenzverfahren

Im Wesentlichen gibt es zwei Hauptformen der Unternehmensübernahme in der Insolvenz:

2.1 Share Deal in der Insolvenz

Beim Share Deal werden die Geschäftsanteile der insolventen Gesellschaft verkauft. Dies ist in der Regel nur dann möglich, wenn:

  • Eine Sanierung im Wege eines Insolvenzplans umgesetzt wird.
  • Die Altverbindlichkeiten neu geregelt oder beseitigt werden können.
  • Der Käufer bereit ist, die finanziellen Risiken der Vergangenheit zu übernehmen.

2.2 Asset Deal in der Insolvenz (übertragende Sanierung)

Der Asset Deal ist die häufigste Form des Unternehmenskaufs in der Insolvenz. Hierbei erwirbt der Käufer Vermögenswerte wie:

  • Produktionsanlagen, Immobilien, Patente, Markenrechte
  • Kunden- und Lieferantenbeziehungen
  • Mitarbeiter (gegebenenfalls durch Betriebsübergang nach § 613a BGB)

Vorteile:

  • Erwerber haftet grundsätzlich nicht für Verbindlichkeiten des insolventen Unternehmens.
  • Preislich attraktiver als eine Übernahme außerhalb der Insolvenz.
  • Flexibilität bei der Übernahme von Verträgen und Mitarbeitern.

Nachteile:

  • Risiko von Anfechtungen durch den Insolvenzverwalter (§§ 129 ff. InsO).
  • Notwendigkeit der Zustimmung von Gläubigern oder Gerichten in bestimmten Fällen.

3. Besonderheiten beim Erwerb eines insolventen Unternehmens

3.1 Rolle des Insolvenzverwalters

  • Der Insolvenzverwalter entscheidet über den Verkauf von Vermögenswerten und hat die Pflicht, das höchstmögliche Angebot für die Gläubiger zu erzielen.
  • Es können Auktionsverfahren stattfinden, in denen verschiedene Investoren konkurrieren.

3.2 Bedeutung der Masseverbindlichkeiten

  • Verträge, die während des Insolvenzverfahrens abgeschlossen werden, gelten als Masseverbindlichkeiten und sind vorrangig zu bedienen (§ 55 InsO).
  • Käufer sollten sicherstellen, dass sie nicht ungewollt Masseverbindlichkeiten übernehmen.

3.3 Betriebsübergang nach § 613a BGB

  • Falls der Käufer ein Unternehmen oder einen Betriebsteil übernimmt, gehen die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich auf den Erwerber über.
  • Eine Umgehung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.

4. Insolvenzrechtliche Restriktionen für Käufer und Verkäufer

4.1 Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO

  • Der Insolvenzverwalter kann bestimmte Transaktionen rückgängig machen, wenn sie in den letzten Monaten vor der Insolvenz erfolgten und eine Gläubigerbenachteiligung darstellten.
  • Risiko für Käufer: Rückzahlung des Kaufpreises oder Rückabwicklung des Geschäfts.

4.2 Zustimmungspflichten

  • In bestimmten Insolvenzverfahren (z. B. Schutzschirmverfahren) ist die Zustimmung der Gläubiger oder des Gerichts erforderlich.
  • Gläubigerausschüsse können ein Vetorecht gegen Verkäufe aus der Insolvenzmasse haben.

5. Bedeutung der Insolvenzordnung (InsO) für M&A

Die Insolvenzordnung setzt klare Rahmenbedingungen für Unternehmensverkäufe:

  • § 1 InsO: Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung.
  • § 80 InsO: Insolvenzverwalter verwaltet und verfügt über das Vermögen des Schuldners.
  • § 129 InsO: Regelungen zur Insolvenzanfechtung.
  • § 217 ff. InsO: Insolvenzplanverfahren zur Restrukturierung.

Diese Vorschriften beeinflussen maßgeblich den Ablauf und die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten eines Unternehmenskaufs.


6. Verfahrensrechtliche Aspekte

6.1 Regelinsolvenz

  • Der Insolvenzverwalter übernimmt die Kontrolle und entscheidet über den Unternehmensverkauf.
  • Schneller Verkauf im Rahmen der übertragenden Sanierung möglich.

6.2 Eigenverwaltung (§ 270 InsO)

  • Die Geschäftsführung bleibt in begrenztem Maße handlungsfähig.
  • Investor kann frühzeitig in die Sanierungsstrategie einbezogen werden.

6.3 Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)

  • Unternehmen erhält eine Frist zur Erstellung eines Insolvenzplans.
  • Käufer können frühzeitig über strategische Sanierungsmöglichkeiten verhandeln.

7. Risiken und Herausforderungen bei der Übernahme insolventer Unternehmen

7.1 Haftungsrisiken

  • Betriebsübergang kann zur Übernahme von Arbeitsverhältnissen führen.
  • Rückabwicklung durch Insolvenzanfechtung.

7.2 Vertragsrisiken

  • Lieferverträge und Kundenbeziehungen müssen oft neu verhandelt werden.
  • Miet- und Leasingverträge können unter Umständen nicht übernommen werden.

7.3 Wettbewerbsrechtliche Genehmigungen

  • Kartellrechtliche Prüfungen sind auch bei Insolvenzübernahmen relevant.
  • Anmeldung bei der Wettbewerbsbehörde erforderlich, wenn Marktanteile eine kritische Größe erreichen.

8. Steuerliche und haftungsrechtliche Konsequenzen

  • Übernommene Verlustvorträge (§ 8c KStG) können unter Umständen nicht nutzbar sein.
  • Grunderwerbsteuer kann bei Asset Deals anfallen.
  • Umsatzsteuerrechtliche Aspekte müssen bei der Übertragung von Unternehmensteilen berücksichtigt werden.

9. Chancen und Risiken bei M&A-Transaktionen in der Insolvenz

Der Erwerb eines insolventen Unternehmens kann strategische Vorteile bieten, birgt jedoch erhebliche Risiken. Die wichtigsten Punkte sind:

Chancen:

✔ Erwerb wertvoller Vermögenswerte zu günstigen Preisen.
✔ Keine Haftung für Altverbindlichkeiten (bei Asset Deals).
✔ Möglichkeit zur strategischen Expansion.

Risiken:

⚠ Insolvenzanfechtung kann zur Rückabwicklung führen.
⚠ Betriebsübergang kann zu unerwarteten Arbeitnehmerverpflichtungen führen.
⚠ Zustimmungspflichten und Gläubigereinflüsse können Transaktionen verzögern.

Eine gründliche rechtliche Prüfung, Verhandlungsgeschick und fundierte Steuer- und Insolvenzexpertise sind essenziell, um den Kauf eines insolventen Unternehmens erfolgreich und rechtskonform zu gestalten.

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