Mergers & Acquisitions (M&A) betreffen Unternehmenstransaktionen, die tief in das Gesellschaftsrecht eingreifen. Je nach Rechtsform, Transaktionsstruktur und individuellen Vertragsgestaltungen sind unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Normen relevant. Das Gesellschaftsrecht bildet den rechtlichen Rahmen für Unternehmenskäufe, Fusionen, Umwandlungen, Spaltungen und Joint Ventures und regelt die Rechte und Pflichten der beteiligten Gesellschafter, Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte.
1. Rechtsgrundlagen und relevante Gesetze im Gesellschaftsrecht für M&A
M&A-Transaktionen unterliegen einer Vielzahl gesellschaftsrechtlicher Regelungen. Wesentliche Gesetze sind:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – allgemeine zivilrechtliche Vorschriften zu Rechtsgeschäften, Verträgen und Haftung.
- Handelsgesetzbuch (HGB) – Regelungen zu Kaufleuten, Personengesellschaften und Bilanzierungspflichten.
- Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) – zentrale Vorschriften für die GmbH, die häufigste Rechtsform im Mittelstand.
- Aktiengesetz (AktG) – Vorschriften für Aktiengesellschaften, insbesondere zur Übertragung von Aktien und Hauptversammlungsrechten.
- Umwandlungsgesetz (UmwG) – Normen zu Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel und Vermögensübertragung.
- Genossenschaftsgesetz (GenG) – Regelungen zu Genossenschaften und deren Umwandlungsmöglichkeiten.
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission.
- Kapitalmarktgesetzgebung (WpHG, WpÜG) – Vorschriften für öffentliche Übernahmen börsennotierter Unternehmen.
- Insolvenzordnung (InsO) – Vorschriften zur Unternehmensübernahme aus der Insolvenz („Distressed M&A“).
Diese Gesetze bestimmen den Rahmen für die gesellschaftsrechtlichen Implikationen einer M&A-Transaktion.
2. Gesellschaftsrechtliche Struktur von M&A-Transaktionen
M&A-Transaktionen können sich in verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Formen vollziehen:
2.1. Asset Deal vs. Share Deal
Die grundlegenden Erwerbsstrukturen eines Unternehmens sind:
- Share Deal (Anteilsübertragung)
- Der Käufer erwirbt Anteile (Shares) an der Zielgesellschaft.
- Das Unternehmen bleibt rechtlich bestehen, alle Verträge und Verbindlichkeiten bleiben erhalten.
- Gesellschaftsrechtlich sind die Regelungen zur Übertragung von GmbH-Anteilen (§ 15 GmbHG) oder Aktien (§§ 73 ff. AktG) relevant.
- Asset Deal (Übertragung einzelner Vermögensgegenstände)
- Erwerb einzelner Wirtschaftsgüter, z. B. Maschinen, Immobilien oder Geschäftsbereiche.
- Erfordert die Zustimmung der Vertragspartner (z. B. Lieferanten, Kunden).
- Die Haftung nach § 75 AO für Unternehmenssteuerschulden ist zu beachten.
2.2. Verschmelzung nach Umwandlungsgesetz (UmwG)
- Zwei Unternehmen werden verschmolzen und das übertragende Unternehmen erlischt.
- Gesellschaftsrechtliche Folgen:
- Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich (§ 13 UmwG für GmbH, § 62 AktG für AG).
- Gläubigerschutz durch Anfechtungsmöglichkeiten nach §§ 22 ff. UmwG.
- Bewertung von Geschäftsanteilen nach Umwandlungssteuergesetz (UmwStG).
2.3. Spaltung nach UmwG
- Eine Gesellschaft wird in zwei oder mehrere Unternehmen aufgeteilt.
- Gesellschaftsrechtliche Folgen:
- Zustimmung der Gesellschafter erforderlich (§ 125 UmwG).
- Haftung der neu entstandenen Gesellschaften nach § 133 UmwG.
2.4. Formwechsel
- Umwandlung einer Gesellschaft in eine andere Rechtsform (z. B. GmbH in AG).
- Gesellschaftsrechtliche Folgen:
- Zustimmung der Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit erforderlich (§ 190 UmwG).
- Auswirkungen auf Haftung und Steuerlast.
3. Gesellschaftsrechtliche Pflichten bei M&A
M&A-Transaktionen lösen zahlreiche gesellschaftsrechtliche Pflichten aus, insbesondere für Gesellschafter, Geschäftsführer und Aufsichtsräte.
3.1. Pflichten des Geschäftsführers / Vorstands
- Wahrung der Sorgfaltspflichten (§ 43 GmbHG, § 93 AktG)
- Geschäftsführer und Vorstände müssen im besten Interesse der Gesellschaft handeln.
- Informationspflichten gegenüber Gesellschaftern (§ 51a GmbHG, § 131 AktG)
- Bei M&A-Transaktionen müssen Gesellschafter und Aktionäre rechtzeitig informiert werden.
- Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft
- Kein Verkauf unter Wert oder zugunsten Dritter.
3.2. Pflichten der Gesellschafter / Hauptversammlung
- Zustimmungspflichtige Geschäfte (§ 53 GmbHG, § 119 AktG)
- Größere Transaktionen bedürfen der Zustimmung der Gesellschafter oder Aktionäre.
- Minderheitenschutzrechte (§ 243 AktG)
- Aktionäre können Beschlüsse anfechten, wenn ihre Rechte verletzt werden.
4. Gesellschaftsrechtliche Haftung bei M&A
Haftungsfragen sind für Geschäftsführung und Gesellschafter essenziell:
4.1. Geschäftsführerhaftung
- Haftung für Pflichtverletzungen (§ 43 GmbHG, § 93 AktG)
- Fehlentscheidungen bei M&A können Schadenersatzansprüche gegen die Geschäftsführung auslösen.
- Haftung für unterlassene Informationen (§ 823 BGB)
- Geschäftsführer haften persönlich, wenn sie Gesellschafter oder Vertragspartner nicht ausreichend informieren.
4.2. Gesellschafterhaftung
- Durchgriffshaftung (piercing the corporate veil)
- Gesellschafter können bei Missbrauch der Gesellschaftsstruktur haften (z. B. Vermögensverschiebungen).
- Haftung bei Kapitalerhaltungspflicht (§ 30 GmbHG)
- Ein Gesellschafter darf keine Ausschüttungen erhalten, die das Stammkapital angreifen.
5. Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten bei börsennotierten Unternehmen
M&A-Transaktionen börsennotierter Gesellschaften unterliegen zusätzlichen Vorschriften:
- Übernahmerecht nach WpÜG
- Pflichtangebote und Mindestpreise bei Unternehmensübernahmen.
- Schutz von Minderheitsaktionären.
- Transparenzpflichten nach WpHG
- Veröffentlichung von Übernahmeangeboten.
- Stimmrechtsmitteilungen bei Beteiligungsänderungen.
- Aktienrechtliche Zustimmungsrechte
- Hauptversammlung muss Fusionen oder Spaltungen genehmigen.
6. Wichtige Gerichtsentscheidungen zu M&A im Gesellschaftsrecht
BGH, Urteil vom 26. September 2018 – II ZR 187/17
- Ein GmbH-Geschäftsführer wurde für eine mangelhafte Aufklärung im Rahmen eines Unternehmensverkaufs haftbar gemacht.
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2021 – II ZR 25/20
- Gesellschafter einer GmbH durften die Zustimmung zu einer Fusion verweigern, weil wesentliche Informationen fehlten.
Gesellschaftsrecht
Das Gesellschaftsrecht bildet das Rückgrat jeder M&A-Transaktion und regelt wesentliche Aspekte wie Struktur, Haftung und Entscheidungsprozesse. Eine sorgfältige Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ist essenziell, um Risiken zu vermeiden und einen rechtssicheren Unternehmensübergang zu gewährleisten.